„Wir müssen reden“ – Vom Feedback-Beginner zum Feedback-Profi
- Sabine Sickinger
- 5. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Ein kleines Gedankenexperiment zu Beginn: Findest du 5 Personen in deinem Bekanntenkreis, die von sich selbst behaupten, dass sie ausreichend oft und inhaltlich hilfreiches Feedback von ihrem Umfeld erhalten?
Na? Hast du wirklich kurz nachgedacht oder einfach weitergelesen? 😉
Ich treffe fast täglich auf junge, ambitionierte, überaus engagierte und in den meisten Fällen sehr neugierige Menschen. Und fast alle sagen: „Ich bekomme zu wenig Feedback.“ Und im gleichen Atemzug: „Ich merke, dass ich mich selbst scheue, Feedback zu geben und jemanden zu kritisieren. Weil ich nicht weiß, wie. Und weil ich unangenehme Gespräche vermeiden möchte.“
Unter Feedback versteht man die Rückmeldung an eine Person, wie ein bestimmtes Verhalten wahrgenommen wurde, was gehört oder beobachtet wurde.
Nicht geschimpft ist Lob genug.
„Wenn ich nichts sage, dann bin ich zufrieden.“ Das hat wahrscheinlich fast jeder schon mal gehört. Und das ist auch eine Art von Feedback. ABER: Darin liegt ein häufiges Missverständnis. Feedback geben bedeutet nicht ausschließlich, Kritik zu üben. Feedback bedeutet, jemanden eine Rückmeldung zu geben, wie ein bestimmtes Verhalten wahrgenommen wurde, was gehört oder beobachtet wurde. Und das kann durchaus auch etwas Positives sein. Über etwas, was richtig gut gelaufen ist. Wo jemand eine tolle Leistung gezeigt hat. Oder etwas unerwartet Schönes.
Was Feedback in jedem Fall nicht ist:
Eine pauschale Aussage über eine Person: „Du bist immer so ein Zyniker.“
Ein Label: „Du bist zu arrogant.“
Oder eine Abwertung: „Ich habe gewusst, dass du das eh nicht schaffst.“
Der Feedback-Burger. Ein erstes Feedback-Modell.
Wenn es über das „Wenn ich nicht meckere, dann bin ich zufrieden“ hinausgehen soll, dann kommt manchmal der Feedback-Burger oder das Feedback-Sandwich zum Einsatz. Zuerst ein wenig Lob, dann die Kritik und zum Abschluss wieder etwas Positives. Schön eingepackt. Das ist meistens besser als nichts. Aber der Effekt dabei: Die wertvolle Kritik kann zwischen zwei Lob-Schichten untergehen.
Ich gestehe: Ich habe mich zu Beginn meiner Karriere auch am Feedback-Burger ausprobiert – die Ergebnisse waren mittelmäßig. Ich selbst habe mich nicht wohl dabei gefühlt, weil ich die positive Einleitung und den positiven Schluss als aufgesetzt empfunden habe. Ich wusste es schlichtweg nicht besser. Mal Hand aufs Herz: Das starre Format „Lob-Kritik-Lob“ kann ganz schön ritualisiert und oberflächlich wirken. Einer meiner Mitarbeiter hat mir irgendwann gesagt: „Sabine, ich weiß schon, wenn du mir Feedback geben willst, dann hast du meistens einen Punkt, den ich anders oder besser machen kann. Und das ist ja auch völlig ok. Aber du tust so, als ob du dich nicht traust, das offen anzusprechen und deswegen machst du solche Lob-Schleifen drumherum.“ Aha. Das war deutlich und bringt die Sache auf den Punkt.
Noch mal zurück zum Gedankenexperiment vom Beginn: Wie ist es mit dir selbst? Wann hast du das letzte Mal Feedback erhalten, dass dir wirklich geholfen hat? Von wem? Und was hat es so wertvoll gemacht?
Aus meiner Sicht der größte Nachteil des Feedback-Burgers: Die Künstliche Verpackung führt zu Misstrauen. Wenn du Feedback-Gespräche immer nach dem Feedback-Burger-Muster aufbaust, dann wissen doch alle, dass nach dem ersten Lob die Kritik kommt. Das Lob ist ganz klar nur der Platzhalter und der wahre Inhalt kommt im Mittelteil.
Das kann dann zwei Effekte haben: Menschen, die tendenziell positiv eingestellt sind, „überhören“ den mittleren Kritik-Part. „Hey, da war was Gutes zum Einstieg. Und zum Schluss des Gesprächs wurde ich auch noch mal gelobt. Das Gespräch ist super gelaufen. 😊“
Oder aber, für die Menschen, die tendenziell negativ eingestellt sind, steht nur der mittlere Teil im Vordergrund. „Ja ja, die positiven Floskeln am Anfang sollen nur darüber hinwegtäuschen, dass jetzt gleich wieder der Hammer kommt. Das kann ich gar nicht ernst nehmen. Und siehe da, ich hab’s gewusst. Jetzt kommt die Kritik. Und das vermeintlich Positive am Schluss? Das ist nur Alibi. Was für ein blödes Gespräch. ☹“
Natürlich mag es Situationen geben, wo sowohl positive als auch kritische Rückmeldungen in einem einzigen Gespräch gegeben werden können. Niemand sagt, dass das nicht geht. Aber das starre Festhalten am Feedback-Burger-Modell verfehlt aus meiner Erfahrung auf Dauer seine Wirkung.
Die Frage ist also: Wie geht Feedback besser? Was macht Feedback wirkungsvoll? Und welches Modell ist das richtige? Fragen über Fragen.
Nach etlichen Jahren Berufs- und Lebenserfahrung halte ich das EECC-Modell für wesentlich zielführender (Example, Effect, Change/Continue). Ein Modell, das ganz ohne das „drumherum“ auskommt, dafür aber auf eine klare Struktur und echten Dialog setzt.
Das EECC-Modell. Für Feedback mit Wirkung.
Im EECC-Modell nennst du ein oder zwei ganz konkrete Beispiele (Example), am besten solche, die du selbst beobachtet hast. Anschließend beschreibst du, welchen Effekt (Effect) das auf dich hatte. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder möchtest du, dass sich das Verhalten ändert (Change), weil es nicht passend war. Oder dir hat richtig gut gefallen, was du erlebt hast, und möchtest künftig mehr davon sehen (Continue).
Ein Beispiel? Du hattest gerade zusammen mit deinen beiden Mitarbeitern Tom und Jerry ein Meeting mit einem externen Kunden.
Dein Feedback an Tom könnte lauten: „Tom, du hast in jeder Situation jede Nachfrage des Kunden mit konkreten Beispielen belegen können. Das macht dich und damit auch uns total glaubwürdig. Mir ist das positiv aufgefallen und ich schätze das. Gerne weiter so.“
Und dein Feedback an Jerry? „Jerry, ich weiß, du bist Feuer und Flamme für das Projekt, das Produkt liegt dir sehr am Herzen und ist ja in gewisser Weise auch dein Baby. Mir ist aufgefallen, dass du den Kunden 4 oder 5 mal unterbrochen hast, wahrscheinlich weil du so viele Ideen im Kopf hast. Ich hatte das Gefühl, dass das den Kunden vor den Kopf gestoßen hat. Überleg dir doch mal, wie du künftig in solchen Situationen deine Gedanken erst einmal sammeln könntest, damit der Kunde nicht unterbrochen wird.“
Et voilà, zwei Mal Feedback. Zwei Mal direkt und klar auf den Punkt. Und das Beste: Dafür braucht es kein lange vorbereitetes Mitarbeitergespräch.
Und zum Schluss noch ein paar Tipps für Profis
Frage, bevor du Feedback gibst, ob für dein Gegenüber JETZT gerade der richtige Zeitpunkt ist. Du bist Führungskraft? Dann geht es nicht darum, OB du Feedback gibst, sondern WANN es am besten passt. Es könnte ja sein, dass es jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Feedback ist ZEITNAH immer am wirkungsvollsten. Niemand möchte Feedback zu einer Situation haben, die schon ein ganzes Jahr zurückliegt
Gib Feedback am besten in einer vertraulichen 4-Augen-Situation. Es geht nicht darum, andere öffentlich vorzuführen, sondern ehrlich gemeintes Feedback zu geben.
Dein Gegenüber hat die Möglichkeit, über das Feedback nachzudenken und eigene Schlüsse zu ziehen. Mit deinem Feedback spiegelst du DEINE Sicht der Dinge und deine Wahrnehmung wider. Ein Feedback ist keine Ansage. Wenn du dringend eine Veränderung erwartest, dann führst du kein Feedback-Gespräch, sondern ein Personalgespräch. Oder wie auch immer das in deinem Unternehmen heißt.
Und last but not least: Du musst nicht warten, bis dir dein Umfeld Feedback gibt. Du kannst ganz einfach auf dein Umfeld zugehen und zu einer konkreten Situation um Feedback fragen. Am besten mit einem Beispiel, einem Effekt und Antworten auf die Frage „Mehr davon oder künftig anders?“
Erinnerst du dich an das Gedankenexperiment vom Anfang? Wie wäre es, wenn DU jetzt den Hörer in die Hand nimmst, oder eine Mail oder eine WhatsApp schreibst, und eine vertraute Person zu einer für dich relevanten Situation um Feedback bittest? Das wäre doch eine tolle Gelegenheit, um Feedback gleich selbst zu erleben. Und am Ende? „Danke für das Feedback. 😊“